Ein kleines Arabermädchen
Im Frühjahr 1989 …
… beobachtete ich in der Pariser Metro – dicht neben mir stehend – eine Arabersippe, viele Erwachsene und zwei kleine Kinder. Ein Bub von zwei und ein Mädchen von vier Jahren. Die Fahrt dauerte lange, ich hatte genug Zeit zum hinsehen.
Alle Erwachsene stierten fortlaufend, ohne Unterbruch, mit hätschelnden Blicken auf den kleinen Knaben. Er war offensichtlich ihr innigstes Vergnügen. Das kleine Mädchen wurde während der ganzen halben Stunde nicht ein einziges Mal richtig beachtet. Ich (eine Frau) startete eine Provokation. Ich stierte die ganze Zeit nur das Mädchen an, ruhig, innelich lächelnd, selbstbewusst bewunderte ich die Kleine. Nach etwa ein bis zwei Minuten räkelte sich die Kleine, schielte zu mir hinüber und lächelte. Sie begann sich zu zieren, den Körper zu verrenken und sich ungewohnt, aber eher wohl zu fühlen.
Nach einer weiteren Minute wurde der ganze Clan immer unruhiger. Ich verletzte ganz klar ihre Tabu-Muster. Ich stierte weiter auf die Kleine, welche sich immer mehr räckelte und mich offen anlachte, ich lachte zurück. Die Erwachsenen blickten mich nervös an, wie wenn ich eine Todsünde begänge. Sie blickten auf die Kleine, auf mich, wieder auf die Kleine und wurden immer nervöser. Noch ein paar Metrostationen spielte ich so weiter, die Spannung stieg merklich an … dann war der Spuck vorbei. Ich musste aussteigen, die Sippe war erlöst. Das kleine Arabermädchen war wieder seiner Situation überlassen.
Fazit: wenn ein kleines Arabermädchen von der eigenen Familie nie bewusst angesehen wird, sondern alle Blicke sich immer nur auf die Knaben richten, entwickelt das Mädchen keine sozial unterstützte Identität. Es wird sein Leben lang bei seinem Clan um diese Identität betteln und dieser Sippe gegenüber hörig bleiben. Alle Massnahmen, es von der Sippe wegzuemanzipieren stehen vor fast unüberwindbaren Hindernissen, wenn dieser Aspekt übergangen wird.
Natürlich gibt es immer Ausnahmen, welche diese Regel durchbrechen können. Es wird immer Menschen geben, welche Barrieren zu überspringen imstande sind. Sie bleiben eine Minderheit, in allen Kulturen. Wir Progressiven, die wir uns gerne als Barrierenüberspringer erleben, vergessen jene Mehrheit. Erst wenn wieder einmal stockkonservativ, rückwärtsgerichtet, dem Stillstand verpflichtet gewählt wird, merken Progressive, dass sie nicht alleine sind. Sie erkennen wieder einmal, dass ihre auf Fortschritt und Höhenflüge gerichtete Haltung von einer Mehrheit gar nicht geteilt wird. Eine Mehrheit, welche in unserem engsten Kreis ebenfalls gesnobt wird, ausgegrenzt. Nicht nur in der Begegnung, nein, auch in unseren Köpfen.
Auch die Elite benimmt sich derart, wenn z.B. bei Wahlen wieder einmal die Quittung kommt, wird behauptet, man habe die Politik (um die es jeweils gerade geht), dem Volk nicht richtig erklärt (siehe der momentane Zuwachs der AfD in der deutschen Parteienlandschaft), weil sich diese arroganten Kerle bei den dem Volk wichtigen Fragen nicht mehr infrage stellen können … oder dürfen.
(1989 aufgeschrieben, am 22. März 2016 etwas verdeutlicht).